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Süddeutsche Zeitung 14/02/2019

14. Februar 2019, 22:17 Uhr
Betreuung
Spielen ist alles

Der Fröbel-Kindergarten in Hechendorf ist der einzige in der Region, der nach den Prinzipien des Pädagogen arbeitet. Die 40 Kinder und sechs Erzieherinnen verbringen den Tag auf Augenhöhe und erledigen alles gemeinsam

Um einen blauen Kreis am Boden herum sitzen drei dutzend Kinder und singen mit voller Stimme: "Im Fröbel-Kindergarten, da wird gelernt gelacht, wir forschen, singen, spielen, weil uns das Freude macht." Und das Lied geht weiter, beim Refrain stehen die Kinder hintereinander auf und drehen sich klatschend im Kreis. Nachdem die ältesten Kinder getanzt haben, beginnt das Lied von vorne - dann springen alle Erzieherinnen auf und klatschen und tanzen. Auf den ersten Blick wirkt der Fröbel-Kindergarten in Hechendorf wie ein gewöhnlicher Kindergarten. Es gibt zwei Gruppen à 20 Kinder mit je drei Kindergärtnerinnen. Die Räume wirken durch die Holzmöbel und Grundfarben minimalistisch, aber modern.
An der Wand klebt ein Geburtstagskalender, an dem von jedem Kind ein Foto mit einer Schnur hängt, auf die für jedes vollendete Lebensjahr eine Perle gefädelt wird. Fast überall ist die Kette drei bis fünf Perlen lang, doch im Monat April sticht eine besonders hervor, eine Kette mit 236 Kugeln, die von Friedrich Fröbel. Er ist der Namensgeber des Kindergartens in Hechendorf, der einzige in der ganzen Region, auf seiner Pädagogik ist das Haus begründet. Doch in jeder Kita steckt ein bisschen Fröbel. Der Thüringer, der selbst kinderlos blieb, gilt als Erfinder des Kindergartens. Zu seinen Lebzeiten, um 1800 wurden Mädchen und Buben in Bewahranstalten gebracht. Fröbels Pädagogik misst dem Spielen einen hohen Stellenwert bei.

Jeden Morgen startet die Erzieherin Verena Berchtold mit den Kindern des Fröbel-Kindergartens den Tag im Singkreis.
 (Foto: Nila Thiel)
"Das Spiel ist Dreh- und Angelpunkt, das Spiel ist die Arbeit der frühkindlichen Erziehung", erzählt Nikolas Rathert, Fachberater des Kindergartens, der über die Fröbelpädagogik promoviert. Im Fröbel-Kindergarten wird nicht spielerisch gelernt, das Spielen bildet das Zentrum des Kindergartenalltags. Daher ist es auch das Ziel der Erzieher, auf Augenhöhe mit dem Kind zu sein. Sie spielen, essen und räumen gemeinsam auf.
Leiterin Sonja Ruck arbeitet seit 15 Jahren im Fröbel-Stil und kann sich keine anderen Umgang mit Kindern mehr vorstellen. Sie hält das 200 Jahre alte Prinzip immer noch für aktuell. Die Drei- bis Sechsjährigen sollen zu freien, denkenden, selbständigen Menschen werden. Sie dürfen wählen, wie sie den Vormittag verbringen, zum Beispiel im Kochteam, in dem Karotten geschnitten und Pfannkuchen umgedreht werden, oder ob sie im Werkraum arbeiten, Freunde in anderen Gruppen besuchen oder einen Fröbelturm bauen wollen.

Friedrich Fröbel entwickelte zu seiner Pädagogik auch dazugehöriges Spielzeug, die Fröbelgaben. "Es geht um Begreifen, durchs Begreifen geht es ins Gehirn" sagt Nikolas Rathert. Die Baugaben sind Holzwürfel, die sich in kleine Teile zerlegen lassen. "Das ist alles Mathematik", auch wenn die Baugaben wie einfache Bausteine aussehen. Rathert ist sich zwar sicher, dass die meisten Kindergärten mit ähnlichen Dingen spielen, sie musizieren und bauen, doch dahinter stehe keine klare Linie.

Leiterin Sonja Ruck betont: "Wir haben eine Vorbereitungszeit." Die Erzieher würden bewusst auch für Stunden bezahlt, in denen sie den Kindergartenalltag planen. Und auch wenn jedes Kind selbst entscheiden kann, wie es den Vormittag verbringt, findet alles in Gemeinschaft statt, berichtet die Leiterin. Obwohl alle Kinder nach dem Singkreis sich frei im Haus bewegen könnten und selbst entscheiden dürften, wann sie zwischen neun und elf Uhr Brotzeit machen, gehen am liebsten immer alle gemeinsam zum Essen.

Süddeutsche Zeitung 14/02/2019
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